Im Rahmen einer Kleinen Anfrage zu der Thematik „GEZ-Gebühren“ hatte sich der Heidelberger Landtagsabgeordnete Werner Pfisterer Anfang August 2008 an die Landesregierung mit folgenden Fragen gewandt:
1. Wie beurteilt die Landesregierung Baden-Württemberg das aktuell ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz (Berufung zugelassen) zur Thematik GEZ-Gebühren?
2. Was ist der Sachstand bezüglich des Änderungsantrags der Fraktionen CDU, GRÜNE und FDP/DVP – Drucksache 14/421, der in der 10. Sitzung des Landtags am 12. Oktober 2006 mehrheitlich angenommen wurde und welche konkreten Schritte hat die Lan-desregierung unternommen?
3. Wie kann nach Ansicht der Landesregierung Baden-Württemberg die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeitgemäßer und transparenter gemacht werden?
Das Staatsministerium nimmt zu oben genannter Anfrage wie folgt Stellung:
Frage 1: Nach unserem Kenntnisstand gibt es mittlerweile drei erstinstanzliche Verwaltungsgerichtsurteile, die sich mit der Frage beschäftigt haben, ob die Erhebung von Rundfunkgebühren für – nach Angabe der jeweiligen Rundfunkteilnehmer – ausschließlich beruflich genutzte, internetfähige PCs rechtmäßig ist.
Die Verwaltungsgerichte in Koblenz und Braunschweig sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erhebung der so genannten PC-Gebühr für beruflich genutzte Rechner mit Internetzugang rechtswidrig ist, während das Verwaltungsgericht Ansbach die gegenteilige Auffassung vertritt.
Da alle drei Verwaltungsgerichtsurteile noch nicht rechtskräftig sind, gibt es derzeit keine generellen rechtlichen Bedenken hinsichtlich der betroffenen gebührenrechtlichen Vorschriften des Rundfunkgebührenstaatsvertrages.
Auch die betroffenen Rundfunkteilnehmer müssen sich an die geltenden Vorschriften halten, so lange noch keine abschließende Entscheidung ergangen ist.
Den Rechtsstreitigkeiten liegt die grundsätzliche Frage zugrunde, wie der Rundfunkgebührenstaatsvertrag auszulegen ist. Nach dessen § 1 Abs. 2 ist Rundfunkteilnehmer und damit gebührenpflichtig, wer ein Gerät zum Empfang von Rundfunksendungen bereithält. Fraglich ist, ob diesem Tatbestand ein finales Element immanent ist, wonach der Gebührenschuldner das entsprechende Gerät nach der Lebenserfahrung speziell zum Empfang von Rundfunksendungen angeschafft haben muss, was bei einem internetfähigen PC als Arbeitsgerät in Geschäftsräumen wohl nicht der Fall wäre.
Nach bisheriger Auslegung war als ausreichende Voraussetzung für die Gebührenpflicht – u.a. aus Gründen der Nachweisbarkeit im Massenverfahren der Gebührenerhebung – die potentielle Möglichkeit zum Empfang von Rundfunksendungen angesehen worden, was auch beim beruflich genutzten internetfähigen PC der Fall ist.
Es ist davon auszugehen, dass zumindest die Rundfunkanstalten – falls notwendig – den Instanzenweg ausschöpfen werden, um Rechtsklarheit in dieser Frage zu schaffen. Es sind daher die weiteren Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte bzw. des Bundesverwaltungsgerichts abzuwarten.“
Frage 2 und Frage 3: Das so genannte PC-Moratorium, wonach Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können, gebührenfrei sind, war im Jahr 1999 durch den 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) in den Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) eingefügt worden. Das zunächst bis zum 31. Dezember 2003 befristete Moratorium wurde in der Folge zweimal, zuletzt bis zum 31. Dezember 2006 verlängert. Eine weitere staatsvertragliche Verlängerung über dieses Datum hinaus war dagegen im Länderkreis nicht konsensfähig. Stattdessen einigten sich die Länder darauf, mit dem 8. RÄStV und damit zum 1. April 2005 eine Neuregelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV aufzunehmen, wonach eine eigenständige Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte wie bspw. internetfähige PCs nicht entsteht, solange zumindest ein klassisches Rundfunkempfangsgerät im jeweiligen Betrieb angemeldet ist.
Außerdem wurde geregelt, dass für den Fall, dass ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte in einem Betrieb angemeldet werden, für die Gesamtheit dieser Geräte lediglich eine Rundfunkgebühr zu entrichten ist, § 5 Abs. 3 Satz 2 RGebStV.
Hierdurch sollten etwaige mit der Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte verbundene Härten im so genannten nicht privaten, also gewerblichen Bereich abgefedert werden. Flankiert wurde diese Regelung durch eine Vereinbarung der Rundfunkanstalten über die Auslegung des ab dem 1. Januar 2007 geltenden RGebStV, die im Wesentlichen Folgendes beinhaltet:
– Für neuartige Rundfunkempfangsgeräte, also insbesondere Internet-PCs, wird lediglich die Grundgebühr und keine Fernsehgebühr erhoben.
– Angemeldete Radios in Kraftfahrzeugen, die einem bestimmten Betriebsgrundstück zugewiesen sind, lösen bereits eine Zweitgerätebefreiung aller neuartigen Empfangsgeräte auf diesem Grundstück aus.
– Internet-PCs, die im häuslichen Bereich nicht ausschließlich privat genutzt werden, unterfallen der Zweitgerätebefreiung, wenn die nicht private Nutzung nicht auf Gewinnerzielung gerichtet ist (z.B. Lehrer/Ehrenamt).
Die im Jahr 2007 vorgelegten Zahlen belegen, dass diese Maßnahmen dazu geführt haben, dass die vielfach befürchteten hohen Zusatzbelastungen durch die PC-Gebühr ausgeblieben sind. Die KEF hat im Zeitraum 2009 bis 2012 Einnahmen der Rundfunkanstalten aus der PC-Gebühr in Höhe von 23 Mio. Euro pro Jahr kalkuliert. Dies stellt im Verhältnis zu den jährlich erhobenen Gesamtgebühren in Höhe von ca. 7,3 Mrd. Euro eine nachrangige Größenordnung dar.
Darüber hinaus haben die Regierungschefs der Länder auf ihrer Jahreskonferenz im Oktober 2006 die Rundfunkkommission auch im Lichte der Diskussion um die Gebührenpflicht für internetfähige PCs damit beauftragt, alternative geräteunabhängige Lösungen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erarbeiten, mit dem Ziel die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeitgemäßer und transparenter auszugestalten.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Zukunft der Rundfunkgebühr“ der Rundfunkkommission wurden den Regierungschefs der Länder auf ihrer Sitzung im Oktober 2007 präsentiert.
Es wurden insgesamt fünf Alternativmodelle und außerdem die Vereinfachung des bisherigen geräteabhängigen Gebührenmodells vorgeschlagen. Die Regierungschefs haben daraufhin beschlossen, zwei dieser Modelle durch die Rundfunkkommission näher untersuchen zu lassen: zum einen die so genannte Haushalts-/ Unternehmensabgabe sowie zum anderen ein vereinfachtes geräteabhängiges Finanzierungsmodell.
Die Auseinandersetzung mit den vorgenannten zwei Modellen ist noch nicht abgeschlossen und bedarf weiterer Erörterungen, insbesondere im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Machbarkeit und ihre Auswirkungen auf die Höhe der Rundfunkgebühr. Denn ein wie auch immer geartetes neues Finanzierungsmodell muss letztlich in der Lage sein, den verfassungsrechtlich abgesicherten Finanzierungsbedarf der Rundfunkanstalten in Höhe von derzeit 7,3 Mrd. Euro abzudecken.
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass nur durch eine Abkehr vom Gerätebezug ein zeitgemäßer Ansatz für ein zukünftiges Finanzierungsmodell gefunden werden kann. Aufgrund der für die Umsetzung notwendigen Vorlaufzeiten, wird ein neues Gebührenmodell jedoch erst in der Gebührenperiode ab 2013 in Kraft treten können.“