Werner Pfisterer MdL berichtet aus der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg:

Gesundheitspolitischer Sprecher fordert Verschiebung des Gesundheitsfonds
In der Debatte des Landtags vom 27. Februar 2008 forderte Andreas Hoffmann MdL, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, die Verschiebung des Gesundheitsfonds, bis wesentliche Fragen geklärt sind.


Es sei nicht hinnehmbar, dass wichtige Parameter, die zur Einführung des Gesundheitsfonds und vor allem des ab 1. Januar 2009 vorgesehenen bundesweit einheitlichen Beitragssatzes noch immer ungeklärt sind.

Der Gesundheitsexperte führte einige wesentliche Beispiele an, die nach wie vor nicht kalkulierbar seien. So sei es fraglich, ob bundesweit eine vollständige Entschuldung der Krankenkassen bis zum 31. Dezember 2008 gelingt, bei der auch alle tatsächlich schuldenfrei sind und sich nicht nur in der Gesamtschau ein positiver Saldo ergibt. Als potentiellen Rechtsbruch des Bundesgesetzgebers an sich selbst bezeichnete Hoffmann die offene Frage, ob der neue Bundesbeitragssatz mit oder ohne die vorherige Auffüllung der gesetzlichen Mindestreserven der Kassen kalkuliert würde, die 25 Prozent einer Monatsausgabe beträgt (Gesamtbetrag rund 2,9 Mrd. Euro).

Offen sei auch, ob das Zugeständnis des Bundesgesundheitsministeriums, den niedergelassenen Ärzten ab 2009 eine Honorarerhöhung von rund 2,5 Mio. Euro zuzubilligen, in die Einheitsbeitragskalkulation einfließen wird.

„Ich habe nichts gegen eine Honoraranpassung“, so Hoffmann, „aber wenn diese zum tragen käme, muss sie bei der Kalkulation berücksichtigt werden.“ Noch problematischer sieht er die finanzielle Lage der Krankenhäuser. Die aktuell zu erwartenden Tarifsteigerungen, explodierende Energie- und Sachkosten sowie die Sanierungsabgabe von 300 Mio. Euro, die der Bund mit der Gesundheitsreform eingeführt habe, reißen in den Krankenhausbereich allein in 2008 ein neues Loch der Unterfinanzierung in Höhe von bis zu 2,2 Mrd. Euro.

Das Defizit entspricht nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft dem Finanzbedarf für 40.000 Klinikärzte oder 66.000 Pflegekräfte. „Will die Bundespolitik die Krankenhäuser mit dieser Situation alleine lassen und eine Krise in der Krankenhaus-Versorgung herbeiführen – oder sollen diese Kostensteigerungen noch in die Beitragskalkulation einfließen?“, fragte Hoffmann.

Ein wesentliches Verteilungsinstrument der Mittel aus dem Gesundheitsfonds soll der sogenannte „Morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich“ (RSA) werden. Inzwischen liegen, so Hoffmann, mit einer Verspätung von knapp drei Monaten Vorschläge auf dem Tisch, bei denen die 80 teuersten Krankheiten die Grundlage des künftigen RSA, aber auch der künftigen ärztlichen Vergütung bilden. Es gebe hierbei einige inhaltliche Probleme, da z.B. Volkskrankheiten wie Asthma, Rheuma und teilweise Koronare Herzerkrankungen gar nicht aufgenommen wurden.

Auch die Häufigkeit gerade solcher chronischen Volkskrankheiten werde bislang zu wenig berücksichtigt. Demgegenüber erhielten individuell teure Krankheiten zu starkes Gewicht. Nicht akzeptabel sei, dass Erkrankungen mit Präventionspotenzial „aussortiert“ würden. Das wäre für die Aktivitäten der Krankenkassen, die ja künftig einen Anreiz bekommen sollen, Krankheiten zu vermeiden, kontraproduktiv.

Auch Baden-Württemberg selbst wird Probleme mit den Auswirkungen des Gesundheitsfonds bekommen. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes haben eine höhere Lebenserwartung, sind gesünder, erzielen höhere Einkommen durch den Fleiß der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Erfolg der heimischen Wirtschaft.

Und das Land hat das bessere und ausdifferenziertere Gesundheitswesen. „Wir sind in Sachen Medizin die Schweiz Deutschlands“, so Hoffmann „und drohen jetzt durch den Gesundheitsfonds auf Mittelmaß zurückgeführt zu werden.“
Nach Darstellung von Andreas Hoffmann fließen aufgrund unseres höheren Einkommensniveaus künftig noch mehr Mittel als heute an andere Bundesländer ab.

Da der Gesundheitsfonds den Kassen im Land nur die Durchschnittsausgaben aller Bundesländer für die Bezahlung von Gesundheitsleistungen zurückgebe, drohe eine Verschlechterung des Gesundheitsangebotes in Baden-Württemberg.

Mindestens 390 Mio. Euro, die heute noch mehr für die Gesundheit im Land ausgeben werden, werden künftig – so der CDU-Abgeordnete – nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieses Geld fehle für unser ausdifferenziertes Gesundheitssystem, z. B. bei der Schwerpunktbildung Neurologie, bei den Schlaganfall-Stroke-Units, beim Geriatrie-Konzept, bei den Brustkrebszentren und verschiedenen weiteren Angeboten.

Diese vorbildlichen Versorgungsformen würden sich nach und nach auflösen, weil sie nicht länger finanzierbar seien – oder – die Angebote blieben, dafür verschlechtere sich dann die Grundversorgung. Da die Bürgerinnen und Bürger im Land allerdings dank einer guten Versorgung über Jahrzehnte gesünder als die Bürger in anderen Ländern seien, würden wir jetzt benachteiligt – wer gesünder sei, bekomme weniger Geld, wer weniger Geld bekomme, könne seinen bisherigen Standard nicht aufrecht erhalten.

„Muss die Bevölkerung erst wieder kränker werden, um unsere medizinische Leistungsfähigkeit auf heutigem Niveau behalten zu dürfen?“, fragt sich Hoffmann.
Klar ist, so Hoffmann, dass die genannten Probleme deutlich zeigen, dass mit der Einführung des Gesundheitsfonds und dessen Einheitsbeitrag unabsehbare Risiken verbunden sind. Aus diesem Grund appellierte er an die Bundespolitik, die Notbremse zu ziehen und den Fonds erst dann einzuführen, wenn alle angesprochenen Fragen ausreichend geklärt sind.

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