Text für das Stadtblatt „Kinderfreundlichkeitsprüfung“

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, verhäuslichte Kinder, extrem bewegungsarm und dem Medienkonsum verfallen. So stellt sich die Stadtverwaltung unseren Nachwuchs vor, der die Ärzte, uns und die Schule gleichermaßen beschäftigt. Jetzt will die Stadt dem Notstand abhelfen – mit einer „Kinderfreundlichkeitsprüfung“.


Diesen Eindruck erweckt zumindest die Vorlage „Kinderfreundliche Wohngebietsplanung auf der Ebene der Bauleitplanung“ an den Jugendhilfe- und den Bauausschuß, die die amtlichen Planer verfaßten.

Ein Lauser, wer Böses dabei denkt, daß die Kinderfreundlichkeitsprüfung in einer „Checkliste für Planer“ genau dieselben Forderungen aufgreift, die Oberbürgermeisterin Beate Weber schon seit Jahren gegen den Willen der Heidelberger Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen versucht. In neu zu bauenden Wohngebieten werden „Verkehrsberuhigte Straßen“ vorgeschlagen, Spielmöglichkeiten in Rufnähe gefordert (wie laut kann Mama wirklich rufen?) und eine Grundschule nicht weiter als 700 Meter von der Wohnung entfernt (ich dachte, Kinder leiden an Bewegungsmangel?) angeregt. Nirgendwo steht, was das alles kosten soll und wie es bezahlt wird. „Oberirdische Stellplätze“ sollen reduziert werden und Straßen verengt werden, alles den Kindern zuliebe. Nicht zu glauben, welcher Fortschritt in Heidelbergs Amtsstuben noch ersonnen wurde: „Auf Fußwegen soll das Stehenbleiben und der Aufenthalt möglich sein.“ Vielleicht haben Sie das ja auch schon öfter gemacht. Sie dürfen sich dann bereits jetzt als gutes Vorbild für Ihre und andere Kinder ansehen. Doch es geht noch weiter: „Die Haltestellen (des ÖPNV) sollen“, so Punkt 41 des Papiers, „in ein Fußwegenetz eingebunden werden und von Kindern sicher erreichbar sein.“ Vielleicht richtet man dazu Gehspuren auf den Bürgersteigen ein oder Ampeln und Abbiegestreifen, die den Fußgänger-Kreuzungsverkehr in Fußgängerzonen regeln.

Selbst das frustrierende Laufen in eine Sackgasse – Ursache vieler tiefgründiger Ängste – soll nach dem Willen der Planer ein Ende haben. Fußgängerwege sollen herausführen. Das sind also die zentralen Probleme unserer Kinder?

Oder brauchen unsere Kinder nicht eine Wohnstraße mit Fahrradspur und Tretauto-Parkplatz? Brauchen Sie nicht noch viel dringender ein eigenes Nahverkehrsnetz, das völlig auf die „soziale Infrastruktur“ der Kinder ausgerichtet ist? Sind die Innenstädte nicht furchtbar trostlos, weil es überall an Baumhäusern für unsere Kleinen mangelt? Ja, vielleicht brauchen Kinder sogar einen städtischen Spielberater, der ihnen hilft, ihre tägliches Spielpensum zu erfüllen, unter angemessener Berücksichtigung der sozialen Kommunikation.

Ich bezweifle stark, daß das ein Kinderparadies wird, das den Bedürfnissen der Kinder gerecht wird. Ich glaube eher, daß es ein Paradies für die wird, in deren Köpfen die Modelle dafür entstanden sind. Kinder richten sich nicht nach den Planspielen der Stadt, sondern danach, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Für spinnige Ideen ideologisch geleiteter Stadtplaner ist das knappe Steuergeld Heidelbergs deshalb nicht da. Von der wesentlichsten Begabung unserer Kinder haben die Planer – das beweist die Vorlage – keine Ahnung: von der Phantasie. Kinder wollen keine perfekt eingerichtete Spielwelt, die Ihnen Erwachsene vorsetzen. Sie brauchen kreative Freiräume, um ihrer Phantasie freien Lauf lassen zu können. Mit der kindlichen Phantasie anderer kann die Stadt aber kein Verkehrskonzept verkaufen, oder gerade doch? Die CDU Fraktion hat daher ihre ablehnende Haltung im Bauausschuß deutlich zum Ausdruck gebracht.

Es grüßt Sie herzlichst

Werner Pfisterer Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Landtagsabgeordneter

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