Kommunalpolitik

Für die CDU Baden-Württemberg kommt der kommunalen Ebene eine zentrale Bedeutung für eine erfolgreiche Politik im 21. Jahrhundert zu. Ein Staatsaufbau, der den Dienst an den Menschen in den Mittelpunkt stellt, kann nur von unten nach oben funktionieren. Wir wollen deshalb die Politik wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wir stehen zum Subsidiaritätsprinzip in seiner dreifachen Bedeutung. Erstens: Was der Einzelne leisten kann, muss er auch selbst leisten. Zweitens: Freie Träger haben Vorrang vor dem Staat. Der Staat soll erst dann tätig werden, wenn eine Aufgabe von den Menschen selbst oder freien Trägern nicht ausreichend erfüllt werden kann. Und drittens: Der Staat muss von unten nach oben aufgebaut werden.

Die jeweils unterstmögliche Ebene muss sich der Erfüllung einer Aufgabe annehmen. Sie muss hierbei Freiräume für eigene Standardgestaltung haben. Das ursprüngliche Recht liegt bei der Gemeinde, der Stadt und dem Kreis. Sie haben das Selbstverwaltungsrecht; dort haben die Bürgerinnen und Bürger die direktesten Einwirkungsmöglichkeiten. Unsere Kommunen sind ein Ort der Mitbestimmung. Wir sind uns bewusst, dass in einer Gesellschaft, die immer mehr von weltweiten Entwicklungen betroffen und abhängig ist, bestimmte Aufgaben nur noch von höheren Ebenen erledigt werden können: Über Land und Bund bis hin zu Europa. Gerade vor diesem Hintergrund müssen wir aber dafür sorgen, dass es zu keiner Ausbildung eines bürgerfernen Zentralstaates kommt. Der Kernbestand der staatlichen Aufgaben muss wieder bei den Kommunen gebündelt werden. Die CDU wird dafür Sorge tragen, dass insbesondere die Verwaltungsreform des Landes zu diesem Ziel beiträgt und die Kommunen sowohl personell als auch finanziell entsprechend ausgestattet werden. Nur diejenigen Aufgaben, die belegbar nicht dort bewältigt werden können, gehen auf die nächsthöhere Ebene im Staatsaufbau über. Die CDU setzt sich deshalb auf allen staatlichen Ebenen dafür ein, dass die Kommunen wieder gestärkt werden. Die Formulierung des Entwurfes für einen Europäischen Verfassungsvertrag durch den EU-Konvent unter maßgeblicher Mitwirkung von Ministerpräsident Erwin Teufel ist ein Beispiel dafür, dass dies gelingen kann. Die Kompetenzen der Europäischen Union werden in einem eigenen Kapitel zusammengeführt und klar abgegrenzt, auch gegenüber den Kommunen. Die Kommunen werden zudem gestärkt durch die ausdrückliche Verpflichtung der EU zur Wahrung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung. Geist und Buchstabe dieses Verfassungsvertrages gilt es nun umzusetzen. Dazu gehört vor allem auch die Sicherung der Daseinsvorsorge als kommunale Aufgabe. Damit Europa ein Europa der Bürger und Bürgerinnen werden kann, brauchen wir gerade in den Grenzregionen zu Frankreich und zur Schweiz eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Pflege und der Ausbau europäischer Städte- und Gemeindepartnerschaften ist der CDU Baden-Württemberg ein wichtiges Anliegen. […] Für ein leistungsfähiges Kommunalfinanzsystem Grundvoraussetzung für die genannten Aufgaben ist die Ausstattung der Kommunen mit den für ihre Aufgabenerledigung notwendigen Finanzen. Die Kommunen dürfen mit der in der Geschichte unseres Landes nie da gewesenen schwierigen Situation ihrer Haushalte nicht allein gelassen werden, denn die Ursachen dafür wurden weit überwiegend an anderer Stelle gesetzt. Es muss endlich Schluss sein mit einer einseitigen Abwälzung von Aufgaben des Bundes auf die Kommunen ohne entsprechende Finanzausstattung. Auch für den Bund muss das Prinzip gelten, dass derjenige, der zusätzliche Aufgaben bestellt, diese bezahlt. Wir brauchen auch eine solide Einnahmenbasis für die kommunalen Haushalte. Nach Überzeugung der CDU hat die Gewerbesteuer in diesem Zusammenhang keine Zukunft. Ihre strukturellen Probleme sind offenkundig. Wir sprechen uns deshalb für eine Neuordnung der Unternehmensbesteuerung aus, die sich an den folgenden drei Kriterien orientieren muss: 1. Wir brauchen eine Verstetigung der kommunalen Einnahmen und weitgehende Konjunkturunabhängigkeit. 2. Eine aktive Politik für Gewerbeansiedlung muss sich für Kommunen lohnen. 3. Die Neuregelung darf keine höhere Steuerbelastung nach sich ziehen. Um die Neuordnung der kommunalen Finanzen mit verbesserten Strukturen durchzusetzen, bedarf es auf Bundesebene einer echten Gemeindefinanzreform, die der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und damit einer dezentralen Entscheidungsfindung dient. Dazu gehören auch kommunale Hebesätze. Die CDU unterstützt die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die auf ihre Initiative zurückgeht. Das bisherige Nebeneinander zweier steuerfinanzierter Fürsorgesysteme – der Arbeitslosenhilfe, die sich an den Bezug von Arbeitslosengeld anschließt und der Sozialhilfe – ist ineffizient, intransparent und wenig bürgerfreundlich. Die neue Regelung entlastet zudem die kommunalen Haushalte. Beide bisherigen Leistungen werden zu einer neuen staatlichen Fürsorgeleistung bei Arbeitslosigkeit verbunden. Nach dem von der Union im Bund durchgesetzten Optionsmodell muss und kann nun jede Kommune selbst entscheiden, ob sie anstelle der Bundesanstalt für Arbeit Trägerin der neuen Leistung werden will. Wichtig ist, dass die Kostenerstattung gegenüber den kommunalen Trägern nunmehr in gleicher Weise zu erfolgen hat wie gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, also auch die Verwaltungskosten und die Wohnkosten umfasst. So können die Bedingungen für die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt wesentlich verbessert sowie Hilfeempfänger gleichzeitig gefördert und gefordert werden. Für die CDU Baden-Württemberg gilt der Grundsatz: Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet. Wer erwerbsfähig ist und staatliche Hilfen erhält, ist zu einer zumutbaren Gegenleistung verpflichtet, wenn er seine Unterstützung behalten soll und will. Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger müssen zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen werden. In den Kommunen wie auf allen anderen staatlichen Ebenen muss wieder gelten, dass nur soviel Geld ausgegeben werden kann, wie zuvor erwirtschaftet wurde. Wir können nicht einfach auf Kosten der zukünftigen Generationen und über unsere Verhältnisse leben. Jegliche Neuverschuldung bedeutet bereits im folgenden Jahr eine zusätzliche Belastung, die die Handlungsspielräume weiter einschränkt. Eine Alternative zum Weg aus der Schuldenfalle gibt es daher nicht. Dies wird zwangsläufig mit Einschnitten verbunden sein, die für die Betroffenen schmerzhaft sind. Die CDU Baden-Württemberg verschweigt dies nicht. Wir sehen darin auch eine Frage der Gerechtigkeit. Wer jetzt nicht zu Opfern bereit ist, verlangt anderen das Doppelte und Dreifache ab. (Auszug aus: „Leitsätze für eine zukunftsorientierte Kommunalpolitik“. Beschlossen vom 48. Landesparteitag am 27. März 2004 in Villingen-Schwenningen)

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