Heidelberg / Stuttgart. Der Heidelberger Landtagsabgeordnete Werner Pfisterer, hochschulpolitischer Sprecher der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion, hat sich am 15. Dezember 2010 mit einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung gewandt, um in Erfahrung zu bringen, welche Auswirkungen die Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 auf den Bedarf von Studienanfängerplätzen hat. Als Begründung seiner Anfrage führte Pfisterer aus: „Die vom Bundeskabinett beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht fällt in eine Zeit, in der die Hochschulen aufgrund der demografischen Entwicklung ohnehin steigende Studienanfängerzahlen zu bewältigen haben. Vor dem erklärten Ziel, auch jungen Menschen aus geburtenstarken Jahrgängen die gleichen Studienchancen zu bieten wie früheren Jahrgängen, stellt sich daher die Frage, ob Baden-Württemberg für eine mögliche nochmals steigende Nachfrage an grundständigen Studienanfängerplätzen aufgrund der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht gerüstet ist.“ Gerade für ihn als Heidelberger Abgeordneter sei diese Thematik von großer Wichtigkeit.
Im Detail beantwortete Wissenschaftsminister Prof. Dr. Peter Frankenberg aktuell im Namen der Landesregierung Pfisterers Fragen wie folgt:
1. Wie wird sich nach Einschätzung des Wissenschaftsministeriums die vom Bundeskabinett beschlossene Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 auf den Bedarf an grundständigen Studienanfängerplätzen bundesweit und in Baden-Württemberg auswirken? Eine abschließende prognostische Einschätzung der Auswirkungen der Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 auf die Nachfrage nach Studienplätzen in Baden-Württemberg wird auf der Basis der für das 1. Quartal 2011 angekündigten aktualisierten Vorausrechnung der Kultusministerkonferenz möglich sein. Derzeit kann nach einer Modellrechnung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von bundesweit 34.600 bis 59.000 zusätzlichen Studienanfängern in den Jahren 2011 bis 2015 ausgegangen werden. Da nicht alle Studienberechtigten sofort ein Studium aufnehmen, kann bundesweit im Jahr 2011 mit 19.700 bis 33.600 zusätzlichen Studienanfängern gerechnet werden. Die Obergrenze der Prognose berücksichtigt dabei den reinen Effekt der Aussetzung der Wehrpflicht wohingegen für die Untergrenze die vom Bund geplanten Freiwilligendienste für 35.000 Personen pro Jahr anteilig eingerechnet wurden. In Baden-Württemberg werden nach Modellrechnungen des Wissenschaftsministeriums 3.000 bis 4.000 weitere zusätzliche Studienanfänger im Studienjahr 2011 und 1.000 bis 2.000 zusätzliche Studienanfänger im Studienjahr 2012 erwartet. Präzisere Aussagen werden nach Vorlage der angekündigten Vorausrechnung der Kultusministerkonferenz mög-lich sein. Die Prognosen werden dadurch erschwert, dass für das Aussetzen der Wehrpflicht und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Studiennachfrage keine Erfahrungen aus der Vergangenheit vorliegen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unter dem Eindruck der Doppelabiturjahrgänge in Bayern und Niedersachsen im Jahr 2011, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen im Jahr 2012 sowie Nordrhein-Westfalen im Jahr 2013, die Studienberechtigten ein anderes Verhalten an den Tag legen, als dies durch die bisherigen Modellrechnungen vorhergesagt wird.
2. Welche Maßnahmen plant sie, um einem möglichen zusätzlichen Bedarf an grundständigen Studienanfängerplätzen Rechnung zu tragen? Nach der vom Ministerrat am 25. Oktober 2010 beschlossenen Planung für die 3. Tranche des Ausbauprogramms „Hochschule 2012“ werden bis zum Wintersemester 2011/2012 16.500 und bis zum WS 2012/13 20.000 zusätzliche Studienanfängerplätze zur Verfügung stehen. Im Abgleich der in Ziffer 1 dargestellten Modellrechnungen mit der neuesten verfügbaren Vorausrechnung der Studienanfängerinnen und Studienanfänger auf Bundesebene im Bericht „Bildung in Deutschland 2010“ sind die dann vorhandenen Plätze ausreichend, um auch die zusätzlichen Anfänger aufnehmen zu können. Um insbesondere im Jahr 2012 auf nicht ausschließbare punktuelle Nachfragespitzen oberhalb der Ausbauzielzahlen reagieren zu können, wird ein Teil der Studienanfängerplätze der temporären Überlast als flexibel einsetzbare Ausbaureserve zur Unterstützung besonders belasteter Hochschulen ausgestaltet.
3. Ist absehbar, ob sich auch der Bund an möglichen Mehrkosten der Länder bei der Bewältigung eines zusätzlichen Bedarfs an grundständigen Studienanfängerplätzen beteiligen wird? Am 15. Dezember 2010 haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vereinbart, dass der Bund die Hälfte der durch die Aussetzung der Wehrpflicht entstehenden zusätzlichen Studienanfänger im Rahmen des Hochschulpakts finanzieren wird. Insgesamt gehen Bund und Länder von einem zusätzlichen Mittelbedarf in Höhe von 900 bis zu 1.500 Millionen Euro aus.