Liebe Parteifreunde, unser neuer Bundespräsident Horst Köhler hat es gerade wieder gesagt: Wir brauchen in Deutschland mehr Wettbewerbsdenken und weniger Besitzstandswahrertum.
Es ist zu hoffen, dass der neue Bundespräsident Rot-Grün antreibt bei den notwendigen Reformen. Als Antreiber hat auch Baden-Württemberg Erfolg gehabt: Unser jahrelanger Druck auf den Bund hat ihn von seiner planwirtschaftlichen Hochschulpolitik abgebracht. Bisher durften nur 24 Prozent der Studierenden in den Studienfächern, die von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für Plätze wie Humanmedizin oder Jura vergeben wurden, von den Hochschulen direkt ausgewählt werden. Wir hatten angekündigt, den ZVS-Staatsvertrag zu kündigen, falls nicht bis Ende Juli dieses Jahres eine Neuregelung käme. Nun musste Bundesbildungsministerin Bulmahn nachgeben: Künftig werden 60 Prozent der ZVS-Plätze nach Leistung vergeben und 20 Prozent nach Abiturnoten, nur 20 Prozent werden nach Wartezeit vergeben. Damit lohnt sich Leistung wieder, auch in der Schule; unsere Schüler müssen nicht mehr nach Zehntelnoten schielen, wenn sie sich später in Tests und Auswahlgesprächen für die Gebiete qualifizieren, die sie studieren möchten.
Das ganze Berliner Gerede, durch den Bund einige Elite-Universitäten zu schaffen, geht an der Sache vorbei und ist nur ein dröhnendes Schlagen der Schlagwort-Pauke ohne nachhaltige Effekte. Wirft man einen Blick auf die verschiedenen Rankings, so zeigt sich, dass Baden-Württemberg das deutsche Spitzenfeld anführt: Nirgendwo gibt es so viele herausragende Universitäten wie bei uns. Auch die aktuelle Studie des Berlin-Instituts für Weltbevölkerung und globale Entwicklung sieht unser Land im Ländervergleich ganz vorne: Baden-Württemberg ist demnach das zukunftsfähigste Bundesland und führend in Sachen Bildung. Hervorragend qualifizierte Arbeiter waren immer zuvor Schüler, und Studierende müssen auf ihr Schulwissen aufbauen. Warum sind wir so erfolgreich? Weil wir überlegt handeln, seriös planen, fundiert rechnen und konsequent umsetzen – unabhängig von tagespolitischer Effekthascherei. Bildung ist ein sensibles Thema, und genauso wie sich hier Fehler erst Jahre später zeigen, sind Erfolge die Früchte langjähriger Arbeit. Rot-Grüne Schnellschüsse hat es in vielen Bundesländern ohne Erfolg gegeben; in Baden-Württemberg führen wir seit 1995 unsere Hochschulreform stufenweise ein.
Einiges wird sich grundlegend weiter verändern mit der nächste Stufe, dem neuen Landeshochschulgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft treten soll. Ein Ziel ist es, den Hochschulen noch bessere Rahmenbedingungen für effizientes Handeln im Wettbewerb um die besten Köpfe zu geben. Um dieses Ziel zu erreichen wird sich das Land zum einen den Hochschulen sehr große Freiräume geben, indem es seine 200 Mitwirkungsbefugnisse auf 29 zurückführt und den Hochschulen größtmögliche Regelungsspielräume für die Grundordnungen überlässt. Zum anderen werden die Entscheidungswege an den Hochschulen professioneller gestaltet, z.B. wird das Rektorat mehr an einen Vorstand erinnern als bisher. Ein sehr wichtiger Punkt ist die erweiterte Finanzverantwortung der Hochschulen; sie können künftig ihre Professoren nach ihren Vorstellungen bezahlen, sich an Unternehmen beteiligen und sogar Unternehmen gründen.
Ein weiteres Ziel ist die Reform der Studienstrukturen, um kürzere Studienzeiten zu ermöglichen. Flächendeckend sind wir auf dem Weg zum Barchelor- und Master-Studiengang, der internationale Vergleiche erleichtert. Dadurch werden für unsere Studierenden Auslandssemester attraktiver und Gaststudenten wird ein Studium in unserem Land interessanter. Besonders interessant wird unsere Hochschullandschaft, wenn in Zukunft die Prüfungsordnungen durch die Hochschule erlassen wird und nicht mehr der Zustimmung des Landes bedarf. Auch hier zieht sich das Land auf die Ebene der übergeordneten Interessen zurück und macht es möglich, dass Hochschulen und Berufsakademien eigene Profile entwickeln können. Wenn wir die Hochschulen aber in die (beaufsichtigte) Selbstständigkeit entlassen, müssen wir ihnen auch mehr Möglichkeiten geben, ihre Finanzen zu erweitern. Denn nur über Fördermittel wird sich auf Dauer kein internationaler Wettbewerb durchhalten lassen mit finanzkräftigen amerikanischen und britischen Universitäten. Unsere Hochschulen müssen verstärkt Sponsorengelder und Spenden einwerben, aber auch sozialverträgliche allgemeine Studiengebühren einfordern. Wir reden nicht von Unsummen wie in den USA, wir sprechen von einer zumutbaren finanziellen Beteiligung der Studierenden. Immer mehr Studierende, mit denen ich spreche, befürworten Studiengebühren, wenn das Geld direkt in ihre Fakultäten und Institute fließt; wenn dies bessere Computer, mehr Bücher und eine moderne Präsentationstechnik bedeutet.
Wie Sie sehen, tut sich was in unserem Bundesland – der Tunnelblick auf Berlin droht diese Erkenntnis manchmal zu trüben; verständlich, bei der zur Zeit irrwitzigen Schlingerpolitik, die alle betrifft. In Baden-Württemberg muss uns zunächst nicht bang sein, wenn wir am Ball bleiben und uns nicht auf unseren dicken Lorbeerteppich ausruhen. Unser Mut zur Reform ist der Beweis, dass Kontinuität in der Regierung auch Fortschritt sein kann. Vielleicht sollte Bundeskanzler Gerhard Schröder statt seinen Urlaub wie im letzten Jahr in Hannover zu machen, dieses Mal einen Bildungsurlaub in Stuttgart verbringen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Werner Pfisterer Landtagsabgeordneter und 1. Stellv. Vorsitzender der CDU-Gemeinderatsfraktion