Die großen Fragen können nicht national beantwortet werden

Minister Palmer über „Politik für das 21. Jahrhundert“ – Eröffnung des Wahlkampfs zur EU-Wahl / Es war die Eröffnungsveranstaltung des Wahlkampfs zur Wahl für das Europäische Parlament: Erwin Teufels rechte Hand,


der Minister im Staatsministerium und für europapolitische Angelegenheiten Dr. Christoph-E. Palmer MdL war auf Einladung des CDU-Kreisvorsitzenden Eyke Peveling nach Rohrbach in die „Traube“ gekommen. Viele waren gekommen, um seinen Vortrag „Politik für das 21. Jahrhundert – Aufbruch in Europa“ zu hören, darunter der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Werner Pfisterer, die Stadträte Margret Dotter, Yvonne Eismann-Knorr und Klaus Weirich. Unter den Zuhörern fanden sich auch der Vorsitzende der Jungen Union Jörg Scheller neben dem Vorsitzenden der CDU Ziegelhausen-Peterstal Alexander Föhr sowie die Gemeinderatskandidaten Ruth Hörner, Rosmarie Pawlitschek, Dieter Sauerzapf und Georg Jelen. Die Vorsitzende der Schüler-Union Cosima Peveling und Fraktionsreferent Frank Plamboeck waren ebenfalls zugegen.

Der Abend begann mit einer Schweigeminute für die Opfer, die wenige Stunden zuvor von den Anschlägen in Madrid aus dem Leben gerissen worden waren. Der Kreisvorsitzende ist zugleich Kandidat für das Europäische Parlament, und er konzentrierte sich in seiner Eröffnungsrede auf „die zwei großen Themen Europas: Verfassung und „Vertiefung“. Für die Türkei sieht Peveling „derzeit keinen Platz in der EU“, denn „die Probleme wären größer als die Vorteile“. Werner Pfisterer nahm in seiner Rede den Faden auf und verwies darauf, dass das Bruttosozialprodukt der Türkei bei 23 Prozent des EU-Durchschnitts liege.

Das erste Wort seines Kollegen aus dem Landtag galt den Anschlägen in Spanien. Europa müsse sich wieder auf sein christlich-jüdisches Erbe besinnen, anderen mit Respekt begegnen und Terrorismus bekämpfen. Der Minister beklagte, dass es „keine Öffentlichkeit“ in Europa wie in den USA gebe, wo das gleiche Informations- und Kommunikationsniveau herrsche. Es gebe nicht das europäische Fernsehen und Radio und auch nicht die europäische Zeitung, womit den Europa-Abgeordneten auch die so wichtige kritische Öffentlichkeit fehle. Für Palmer besteht abseits solcher Probleme aber kein Zweifel, „dass die großen Fragen unseres Lebens nicht mehr nur national beantwortet werden können“: Terrorismus, ökologische Gefahren und Flüchtlingsprobleme ließen sich nicht von Grenzen aufhalten.

Der Minister ist „nicht pessimistisch, aber nur gemeinsam können wir den Weg“ an der Weltspitze „neben USA, China und Russland gehen“. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe die gemeinsame Position Europas unterminiert, und wo Helmut Kohl auf die Ängste der kleineren Nachbarn hörte und ihnen das Gefühl gab wichtig zu sein, säte Schröder mit dem Misstrauen und Uneinigkeit. Teufels Mann für europäische Angelegenheiten plädiert entschieden, „die europäische Regelungswut zurückzunehmen – Mindeststandards würden reichen“, wenn es nicht um Bereiche wie Epidemien (SARS, Geflügelpest) gehe. Den EU-Beitritt der Türkei lehnt er „bis auf weiteres“ ab; doch sieht er die Sache differenziert.

Die Türkei sei „traditionell ein guter Freund Deutschlands“ mit hohem strategischem und geopolitischem Wert; unser Erbe der Antike stamme unter anderem aus Kleinasien. Doch eine Aufnahme würde „die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas überfordern“, Palmer ruft auf, „die Grenzen Europas zu definieren“, der König von Marokko habe schließlich auch bereits ein Beitrittsgesuch eingereicht. Für die Türkei werde sich ein Sondermodell finden, dass den meisten Bedürfnissen gerecht werde, so der Minister.

Das Thema Osterweiterung der EU nahm großen Raum ein, die Risiken, aber auch Chancen berge: In Osteuropa herrsche „Bildungshunger“, qualifizierte Arbeiter verfügten über billige Produktionsmöglichkeiten – der Konkurrenzdruck auf Deutschland wird wachsen, aber er könne „heilsam“ sein. Die Arbeiter kämen nicht aus dem Osten zu uns, Arbeitsplätze zögen zu ihnen und aus Deutschland weg. Jedoch sei Baden-Württemberg die Region, die am meisten von der Osterweiterung profitieren könne, da „unsere Angebotspalette auf die Bedürfnisse dieser Länder passt wie der Schlüssel ins Schloss“. Osteuropa sei auf und stets Teil Europas gewesen, nur einen historischen Augenschlag getrennt durch den Kommunismus — Bundeskanzler Schröder habe jedoch „keinen Funken historischen Wissens“. Bei der Europa- und Kommunalwahl sei daher „ein kraftvolles Ergebnis nicht nur aus innenpolitischen Gründen wichtig“, schloss der Minister: „Wir brauchen wieder eine bürgerliche Mehrheit!“ Peveling sprach sicher für die Mehrheit der Besucher, als er Palmers Vortrag als „frei, profund, fundiert“ bezeichnete. Humor, Eloquenz und Sachkenntnis zeichneten Palmers Rede zum Wahlkampfauftakt aus, was er auch in der anschließenden Fragerunde unter Beweis stellte. Eines wurde jedem deutlich: Das 21. Jahrhundert birgt große Herausforderungen an Europa.

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