Die „alltägliche Sucht“ stand im Mittelpunkt eines Ortstermins des Heidelberger Landtagsabgeordneten Werner Pfisterer und Mitgliedern der CDU-Gemeinderatsfraktion.
Der Fraktionsvorsitzende Dr. Jan Gradel, sein Stellvertreter Stadtrat Ernst Gund, Stadträtin Yvonne Eismann-Knorr und Stadtrat Klaus Weirich folgten damit einer Einladung von Pfarrer Hans Kratzert, der sie in der Drogenberatungsstelle der Evangelischen Stadtmission Heidelberg e.V. herzlich begrüßte.
Die kirchliche Einrichtung mit dreieinhalb haupt- und 45 ehrenamtlichen Helfer kümmert sich seit mehr als 40 Jahren um Alkohol- und Nikotinsüchtige, die von ihrer Sucht loskommen oder nach erfolgreicher Entwöhnung abstinent bleiben wollen. Sie fungiert dabei als Ansprechpartner für mehrere Tausend Menschen aus der Rhein-Neckar-Region.
Es kann jeden treffen
„Der normale Süchtige lebt unauffällig unter uns und ist in allen Bevölkerungs- und Altersschichten zu finden“, so Rüdiger Dunst, Leiter der Drogenberatungsstelle. Nur ein geringer Teil falle auf, etwa durch Alkoholmissbrauch im Straßenverkehr oder wegen Körperverletzung in Folge seiner Bertrunkenheit, so die Erfahrung des Beraters: „Betroffenen finden oft erst den Weg in die Beratungsstelle, wenn der Leidensdruck durch die Sucht zu groß wird. Viele werden aber auch über das Sozialamt oder Betriebsärzte zur Stadtmission geschickt.“ Auf Nachfragen Pfisterers, wie sich die Zahlen in den vergangen zehn Jahren entwickelt hätten, erklärte Dunst, dass sich seither die Zahl der Ratsuchenden verdoppelt habe.
Große Sorgen bereitet den Drogenexperten dabei das Suchtverhalten der Jugendlichen, die heute teilweise regelrechte Trinkexzesse bis zum Vollrausch veranstalten würden. Das habe es früher nicht gegeben. Doch auch bei den Senioren ist das Thema Alkoholabhängigkeit inzwischen ein wachsen-des Problem, wie Dunst erläutert: „Da ältere Menschen einen anderen Flüssigkeitshaushalt als jüngere haben, sind sie oft schon innerhalb eines halben Jahres schwerstabhängig.“ Dabei sind Frauen häufiger vertreten als Männer, da die Frauen eine längere Lebenserwartung haben und ihre Partner in der Regel bereits verstorben sind.“ Hier sei es die Einsamkeit, die den Weg in die Sucht ebne. Aber auch in den übrigen Altersgruppen holen Frauen nach Aussage Dunsts im Suchtbereich stark auf. All diese individuell erkrankten bräuchten jeweils ganz auf sie abgestimmte Hilfsangebote. Die finden sie unter anderem in den Therapiegruppen, die sie sich selbst aussuchen könnten.
Ohne Ehrenamt nicht zu bewältigen
Das alles wäre nach Aussagen von Rüdiger Dunst und Pfarrer Hans Kratzert ohne die Ehrenamtlichen gar nicht zu bewerkstelligen, die die Therapiegruppen leiten, sich weiterbilden und Erfahrungen weitergeben: „Dahinter steckt, wie bei Frau Eggebrecht, ein riesiges Engagement. Ich habe höchste Ehrfurcht vor den Ehrenamtlichen“, erklärt Dunst gegenüber den Parlamentariern. Wir könnten das nie leisten oder gar bezahlen.“
Der Erfolg gibt dem zum großen Teil aus Spenden finanzierten Angebot recht: 64 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen bleiben bei dieser Art der Versorgung abstinent. Pfisterer lobte das Engagement und den Einsatz der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Diese Menschen sind das Herz einer jeder Hilfseinrichtung. Wir können sie eigentlich gar nicht oft genug loben und hervor heben.
Der Fraktionsvorsitzende Gradel wünscht sich mehr solcher Projekte: „Genau diesen Weg müssen wir gehen. In den USA ist „charity“ – also Barmherzigkeit – selbstverständlich. In Deutschland wird die vorhandene Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe zu gerne an einen überfürsorglichen Staat delegiert.“ Dass der die Lasten mit professionellen Kräften auch nicht tragen könne, ist nach Ansicht Pfisterers „inzwischen wohl vielen klar geworden.“