Heidelberg – Wenige Stunden nach den revolutionären Vorgängen in Jugoslawien haben sich der Heidelberger Bundestagsabgeordnete Dr. Karl A. Lamers und der Heidelberger Landtagsabgeordnete Werner Pfisterer am Freitag vormittag bei General Dr. Klaus Reinhardt im Joint Headquarters Centre (JHQ CENT) in Heidelberg
über die aktuelle Situation im Kosovo und Jugoslawien informiert. Die Erklärung der jugoslawischen Armee, sich nicht in die politischen Vorgänge einmischen zu wollen, lag zum Zeitpunkt des Gespräches noch nicht vor. Reinhardt erwartete aber eine solche Zurückhaltung: »Nach unseren Informationen haben sich 80 Prozent der Soldaten der Opposition zugewandt.«
Reinhardt, der die bisherigen Oppositionspolitiker teilweise persönlich kennt, warnte jedoch vor allzu großen Hoffnungen: »Mit dem starken Nationalismus der Serben werden wir uns auch in Zukunft auseinandersetzen müssen.« Reinhardt sieht deshalb die Rolle der Friedenstruppen darin, die Konfliktparteien auch in den kommenden Jahren zu trennen. »Wir sind der Puffer zwischen den Konfliktparteien. Wann immer sich Auseinandersetzungen ergeben, gehen wir dazwischen.«
Mit welchen Problemen die Truppe im Kosovo dabei konfrontiert wird, machte er am Beispiel einer serbischen Kirche deutlich: Wochenlang wurde sie personalintensiv rund um die Uhr bewacht. Da tagelang niemand versuchte, die Kirche zu betreten oder sie zu beschädigen, entschloss man sich dazu, die Kirche einzuzäunen und in den engeren Patrouillenweg einzubinden. Dabei wäre die Kirche spätestens alle zwei Stunden kontrolliert worden. Doch kurz nachdem die Wachen abgezogen waren, stand die Kirche bereits in Flammen. »So lange wir aufmerksam hinsehen, geschieht nichts, aber sobald man sich umdreht, kann es bereits passieren«, so der General.
Ungewiss ist zur Zeit das Schicksal von Präsident Slobodan Milosevic. Auch die NATO hat keine Erkenntnisse darüber, wo sich der vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag gesuchte Politiker aufhält. Lamers, seit sechs Jahren Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, sieht in Sachen Milosevic die Gefahr einer »rumänischen Lösung.« Damit spielt Lamers auf den gewaltsamen Tod des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu an.
Neben der Trennung der Streitparteien kommt nach Darstellung Reinhardts der wirtschaftlichen Entwicklung der Region durch die Europäische Union eine große Bedeutung zu. Doch auch hier wird die EU auf eine Reihe von Problemen stoßen. Es gilt das fragile regionale Gleichgewicht im Südosten Europas auszubalancieren. So befürchten die Albaner bereits, dass sie nach dem Ende des Jugoslawien-Konfliktes Mittel verlieren, die sie bisher aus dem Stabilitätspakt erhalten. Es werden also zusätzliche Mittel notwendig sein.
Die KFOR-Friedenstruppe wird nach Ansicht Reinhardts im Kosovo so schnell nicht abgezogen werden können: »Auch wenn es für die Soldaten sicher nicht so schön ist, aber wir werden dort noch eine Weile gebraucht.« Fünf bis acht Jahre wird es nach Einschätzung Reinhardts wohl mindestens noch dauern, bis die internationale Friedenstruppe wieder abgezogen werden kann. In der Bevölkerung des Kosovo, das wurde nach den Schilderungen Reinhardts deutlich, genießt das deutsche Kontingent viel Sympathie. Über die Anerkennung für die Soldaten aus der Bevölkerung zeigte sich Werner Pfisterer sehr beeindruckt: »Noch vor wenigen Jahren waren deutsche Soldaten im Ausland undenkbar, nun helfen sie dabei, den Frieden in einer Region wiederherzustellen. Was könnte es für einen Soldaten für eine bessere Aufgabe geben?« Eines wurde jedoch im Gespräch auch sehr deutlich: Noch lange Zeit wird der Hass der Völker das Leben in der Region bestimmen.